Rudolf Müller

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Dr. jur. et. rer. pol.[1] Rudolf Müller (geboren am 2. April 1890[2] in Wermelskirchen[3], gestorben am 17. Juni 1984 in Ibbenbüren[4]) war von 1922 bis 1927 zunächst Amtmann, ab 1927 Bürgermeister Ibbenbürens. Er war der jüngere Bruder von Hans Müller, der von 1933 bis 1945 Reichsrichter beim Reichsfinanzhof und 1951 bis 1954 Präsident des Bundesfinanzhofes war.

Rudolf Müller

Leben

 
Offizierkorps des Infanterie-Regiments Nr. 159 anno 1908

Rudolf Müller wurde in Wermelskirchen geboren und wuchs in Mülheim an der Ruhr auf[3]. Er studierte in München, Würzburg und Bonn. 1920 promovierte er "cum laude" in Staats- und Rechtswissenschaft. [4]

1914-1918: Teilnahme am 1. Weltkrieg

Im 1. Weltkrieg nahm Rudolf Müller als als Offizier des Infanterie-Regiments 159 teil[5].

1921-1941: Bürgermeister und Feuerwehrführer in Ibbenbüren

Müller wurde im Amt Beelen, im Amt Wulfen und am Landratsamt Warendorf ausgebildet.[4]. Im November 1921 übernahm Rudolf Müller zunächst kommissarisch, ab Januar 1922 fest das Amt des Bürgermeisters in Ibbenbüren[5].

Feuerwehrleiter

Von 1922 bis 1935 war Rudolf Müller Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Ibbenbürens.[6] Danach war er bis 1942 Kreisbrandleiter.[6]

Provinzialfeuerwehrführer von Westfalen

Rudolf Müller war lange Jahre Provinzialfeuerwehrführer von Westfalen. "Er war in dieser Funktion gegen die Übernahme durch die Polizei und fiel dadurch in Ungnade beim Chef der Ordnungspolizei. Dies führte im November 1937 zur Abberufung Müllers."[7]

Zeit als Bürgermeister Ibbenbürens zwischen 1933 und 1941

Rudolf Müller war Mitglied der NSDAP. Einerseits unterstützte er während der Zeit des Nationalsozialismus' Opfer von Übergriffen durch SA und SS, ließ zwei SS-Mitglieder verhaften, weil sie nach den Novermberprogromen jüdisches Eigentum gestohlen hatten und ging gegen Boykott-Aufrufe gegen den Geschäftsmann Isack Winkler vor[5].

Am 31. März 1933 machte die Ibbenbürener Volkszeitung bekannt, dass am darauffolgenden Tag Filmaufnahmen von Bürgern, die bei jüdischen Geschäftsleuten einkauften, gemacht werden. Rudolf Müller wurde daraufhin in einer Liste veröffentlicht, weil er zu den Ibbenbürener gehörte, die trotz alledem weiterhin bei den jüdischen Metzgern Winkler und Rosenthal einkauften[8]. Laut Zeitzeugenaussage wurde er später wegen “judenfreundlichen Verhaltens” aus der Partei ausgeschlossen[9].

Andererseits wies Müller am 10. November 1938 die Feuerwehr an, die brennende Synagoge nicht zu löschen. Auch schlug er vor, Teile der Pachteinnahmen eines jüdischen Geschäftsmanns einzuziehen, mit der Begründung,

dass den [sic] jüdischen Besitzer eine [...] Rente zufließt, die im Hinblick auf den Einsatz jüdischen Vermögens nicht befürwortet werden kann.[5]

Anordnung der Umbennenung der Poststraße in Ibbenbüren in Victor-Lutze-Straße

03.04.1937 polizeiliche Verfügung des Amtsbürgermeisters als Ortspolizeibehörde, gültig ab 20.04.1937:

Im Interesse der allgemein üblichen Ehrung des Führers, Horst Wessels und des Ministerpräsidenten Generaloberst Göring und im Hinblick darauf, das der Stabschef der SA, Oberpräsident Victor Lutze, langjähriger Schüler der Ibbenbürener Rektoratschule gewesen ist, zugleich zum Zwecke der Bereinigung der unübersichtlichen Nummerierung in der Altstadt Ibbenbüren und zur Vorbereitung der notwendigen Aufteilung der gleichfalls völlig unübersichtlich nummerierten Feldmarken wird gemäß dem Runderlaß des Ministers des Innern vom 9.5.1933 - I c17/19 II - MBliV. Seite 561 folgendes angeordnet: [...], Nummeriung wird erneuert, tlw., nicht die Häuser Poststraße 1-5; 17.04.1937 polizeiliche Verfügung des Amtsbürgermeisters (Nummerierung): "Verlängerung der Victor-Lutze-Straße in gerader Linie bis zur Einmündung in den Püsselbürener Damm.[10]

Bericht vom 1. April 1938

In einem Bericht vom 1. April 1938 bezichtigt Rudolf Müller die zu dem Zeitpunkt in Ibbenbüren noch wohnhaften und auch die bereits verzogenen Juden, marxistische Parteien unterstützt und dem unabhängigen Orden B’nai B’rith angehört zu haben.[11]

Angriff auf August Ströhmer

1940 setzte sich Rudolf Müller für die Zwangsemeritierung des katholischen Priesters und Lehrers August Ströhmer ein.[12]

1941-1945: Einzug zum Wehrdienst

Müller wurde 1941 zur Deutschen Wehrmacht eingezogen, bekleidete aber formal bis 1945 das Amt des Amtsbürgermeisters. Seine Vertreter waren Flecks (1941-1942), Picklein (1942-20.3.1945), Voermeyer (21.3.-7.4.1945)[3]. Nach dem Krieg geriet Müller in Kriegsgefangenschaft.

1946-1961: Rückkehr zur Feuerwehr

Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft war Rudolf Müller von 1946 bis zum 1.9.1961 Bezirksbrandmeister[6]. Er war Vorsitzender des Feuerwehrverbandes Westfalen-Lippe, Mitglied des Feuerschutzbeirates des Landes Norstfalen, Vorstandsmitglied der Deutschen Feuerwehr-Verbandsgruppe Westfalen-Lippe und Mitglied des Verbandsgruppenausschusses Westfalen-Lippe[6]. 1947 wurde er pensioniert.[4] 1948 wurde er auf Vorschlag des Gemeindetages Westfalen-Lippe zum Vizepräsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes gewählt[6].

Würdigungen ab 1960

Aus dem Artikel der Ibbenbürener Volkszeitung vom 4. April 1960 zum 70. Geburstag Müllers:

Es war für Dr. Müller eine ganz besondere Freude, an diesem Jubeltag seinen Bruder, Staatsrat Dr. Hans Müller, Präsident des Bundesfinanzhofes i.R., vorstellen zu können. [...] Dann überbrachte Regierungspräsident i.R. Hackethal herzliche Grüße und Wünsche vom Westfälisch-Lippischen Feuerwehrverband. Der frühere Regierungspräsident bezeichnete Dr Müller als einen Mann der Gerechtigkeit und Unbestechlichkeit. An diesen Worten knüpfte der regierende Präsident Dr. Schneeberger an, der besonders den Menschen Dr. Müller herausstellte.

Im Artikel der Ibbenbürener Volkszeitung vom 3. April 1970 wird Müller anlässlich seines 80. Geburtstags wie folgt zitiert:

[U]nsere Kraftquelle ist und bleibt die Schicksalsgemeinschaft mit unserer Bevölkerung, begründet durch die Liebe zur Heimat, die gute Gemeinschaft mit unseren Kameraden bei jedem Einsatz sowie die Kampfentschlossenheit und die Kampfsittlichkeit, die sich darin verkörpert, wertvolles Volksgut und Volksvermögen, vorrangig aber unseren Nächsten selbst vor Schaden zu bewahren.

1977 wird Müller in der Festschrift 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Ibbenbüren portraitiert.[6]

Aus dem Artikel der Ibbenbürener Volkszeitung vom 3. April 1980 zum 90. Geburtstag Müllers:

Die IVZ schließt sich den zahlreichen Gratulanten mit herzlichen Grüßen und Wünschen für weitere Jahre in Gesundheit und Zufriedenheit an.[13]

Aus dem Artikel zum Tode Müllers in der Ibbenbürener Volkszeitung vom 19. Juni 1984[4]:

Während seiner aktiven Jahre als Hauptgemeindebeamter in einer Zeit, die gekennzeichnet war durch große politische Umwälzungen, hat er allen Anfechtungen zum Trotz der alten Überlieferung des Berufsbeamtentums die Treue gehalten und sich für sachbezogene und gerechte Entscheidungen immer wieder eingesetzt.

Aus der Traueranzeige der Stadt Ibbenbüren in der Ibbenbürener Volkszeitung vom 21. Juni 1984:

Mit ihm verstarb ein Mann, der die Entwicklung Ibbenbürens über lange Zeit entscheidend beeinflußt hat. Sein Andenken in Ehren zu halten, ist uns Verpflichtung.[14]

Ehrungen

Rudolf Müller ist Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Ibbenbüren.[6] Zudem wurden ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, das Feuerwehrehrenzeichens in Gold, der Ehrenzeichen I. und II. Klasse der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Feuerwehr-Verdienst-Ehrenzeichen von England, Österreich, Jugoslawien, Frankreich und Belgien, sowie die Ehrennadel des DRK in Gold[2] verliehen. Er war des weiteren Ehrenmitglied der französischen Freiwilligen Feuerwehr und im Besitz zahlreicher ausländischer Auszeichnungen.[6]

Literatur

  • Müller, Rudolf; Das Dienstjahr bei der freiwilligen Feuerwehr, 1935[15]
  • Müller, Rudolf; Baurat F. Witt Recklinghausen, Provinzialfeuerwehrführer Westf., 1935[15]
  • Müller, Rudolf; Handbuch des Feuerschutzes für den Freiwilligen Feuerwehrmann, 1966[15]

Einzelverweise

  1. http://www.stadtmuseum-ibbenbueren.de/buecherlisten_stadt_ibbenbueren/Literatur%20Feuerwehr,%205%20Seiten,%20Archiv%20Ibb..DOC
  2. 2,0 2,1 Ausgabe der Ibbenbürener Volkszeitung vom 3. April 1975, http://archiv.ivz-aktuell.de/IVZ/1975/19750403/077_IVZ_1975-04-03_009-t001.jpg
  3. 3,0 3,1 3,2 http://www.stadtmuseum-ibbenbueren.de/stadtgeschichte_aufsaetze_25.htm
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Ausgabe der Ibbenbürener Volkszeitung vom 19. Juni 1984, s. https://archiv.ivz-aktuell.de/resources/cimage/page/22082010/2048
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Lars Boesenberg, Jürgen Düttmann, Norbert Ortgies, Machtsicherung, Ausgrenzung, Verfolgung: Nationalsozialismus und Judenverfolgung in Ibbenbüren, mit einem Beitrag von Marlene Klatt und Rita Schlautmann-Overmeyer, Historischer Verein Ibbenbüren, S. 19
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6 6,7 Festschrift 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Ibbenbüren (1977), wiedergegeben in der Zeitung brandaktuell der Freiwilligen Ibbenbürener Feuerwehr vom 17. April 2000, s. https://www.feuerwehr-ibbenbueren.de/wp-content/uploads/2016/03/ba4.pdf
  7. Axel Polnik, Die Bayreuther Feuerwehren im Dritten Reich, S. 305
  8. http://www.kulturspeicher.net/theater_00.html
  9. Schlautmann-Overmeyer, Klatt: Ibbenbüren in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Münster., Historische Kommission für Westfalen, Münster 2008, S. 419ff
  10. http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/nstopo/strnam/Kategorie_StaatPolitikVerwaltungPolizeipraesident.html
  11. Renate Schlautmann-Overmeyer, Marlene Klatt: “Ibbenbüren” in: „Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Münster.“ Veröffentlichung der Historischen Kommission für Westfalen. Münster 2008, S. 420, s. http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo_XLV_2_(2021).pdf
  12. Norbert Ortgies, Pädagoge mit Prinzipien - Rektor Ströhmer und die Nazis, tredition GmbH, Hamburg, 2018, S.85f.
  13. https://archiv.ivz-aktuell.de/resources/cimage/page/20816009/2048
  14. https://archiv.ivz-aktuell.de/resources/cimage/page/22084035/2048
  15. 15,0 15,1 15,2 http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr=278&klassId=15&tektId=6&id=020