Mordfall Jürgen P. (1976) und Mordfall Maria Wientjes (1902): Unterschied zwischen den Seiten

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Der '''Mordfall Jürgen P.''' ist ein [[:Kategorie:Kriminalfall | Kriminalfall]], der sich am 29. Juni 1976 in [https://de.wikipedia.org/wiki/Hörstel Hörstel] ereignete. Der als Täter verurteilte Ludger St. (* 1939 in [[Ibbenbüren]]<ref>[[Ibbenbürener Volkszeitung]] vom 20. September 1980</ref>) soll den achtjährigen Jürgen P. aus sexuellem Motiv heraus getötet haben<ref>Erste Berichte in den Ausgaben der [[Ibbenbürener Volkszeitung]] vom 1. und 2. Juli 1976</ref>.  
Beim '''Mordfall Maria Wientjes''' handelt es sich um in einen [[:Kategorie:Kriminalfall | Kriminalfall]], bei dem 1902 in [[Ibbenbüren]] die 12-jährige Maria Wientjes (* 6. November 1889 in Ibbenbüren, † 2. August 1902 in Ibbenbüren) getötet wurde.


== Rekonstruierter Tathergang ==
== Berichterstattung in: Westfälischer Merkur Nr. 524 vom 20. Oktober 1906 ==
Am Morgen des 29. Juni fuhr der zu diesem Zeitpunkt schon angetrunkene, arbeitslose Schuhmacher Ludger St. von [https://de.wikipedia.org/wiki/Rheine Rheine] aus auf seinem [https://de.wikipedia.org/wiki/Moped Moped] in Richtung Ibbenbüren, um seine Mutter dort zu besuchen. Er kam an einer Gaststätte vorbei, wo er weiteren Alkohol zu sich nahm, und gab sein Vorhaben auf.<ref>[[Ibbenbürener Volkszeitung]] vom 22. Oktober 1981</ref> Stattdessen fuhr er zum Hertha-See und trank in der dortigen Gaststätte Bier. Gegen 17.30 Uhr begegnete Ludger St. Jürgen P., der nach einem Aufenthalt am Hertha-See auf den Weg nach Hause war, und verfolgte ihn auf seinem Moped. Danach lockte er nach eigenen Angaben den Jungen in den Wald, um sich sexuell an ihm zu vergehen. Als der Junge versuchte zu fliehen, ermordete Ludger St. ihn. Wegen seiner Vorstrafen befürchtete er wieder als Sexualstraftäter verurteilt zu werden.


== Fahndung bei Aktenzeichen XY ==
"Bereits in seinem 15. Lebensjahr war der 1881 in Ibbenbüren geborene Angeklagte wegen eines Notzuchtdeliktes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, worauf weitere Vergehen folgten. Wie sich in der Verhandlung herausstellte, hatte der Angeklagte am Tag der Tat die vom Kommunionsunterricht in Ibbenbüren kommende Maria zu überreden gewusst, sich mit ihm am Wege niederzulassen. Hier fiel er über die Schülerin her, vergewaltigte sie und verletzte sie durch mehrere Messerstiche schwer. Als er sich von seinem Opfer abwandte, sah er noch die Kleine, die sich aufgerichtet hatte, wie sie ihm mit dem Finger drohte, sie ging noch etwa 30 Meter weit und sank dann tot zu Boden. Diesen Eindruck hat der Angeklagte nicht wieder vergessen können.
In der ZDF-Sendung [https://de.wikipedia.org/wiki/Aktenzeichen_XY_%E2%80%A6_ungel%C3%B6st Aktenzeichen XY ... ungelöst] wird in der [https://www.wikixy.de/Sendung_vom_01.07.1977 Folge vom 1. Juli 1977] über den Fall berichtet<ref>Bilder aus der Sendung in der ZDF-Sendung ''[https://de.wikipedia.org/wiki/Hallo_deutschland hallo deutschland]'': https://www.youtube.com/watch?v=PXrvI-Fw6s8</ref>. Die am Tatort gefundene Brille wird gezeigt, die später zur Ermittlung des Täters führt. Zunächst aber gibt es keinen entscheidenden Hinweis.


== Ergreifung des Täters ==
Er betäubte sein Gewissen durch Schnapsgenuss. Beinahe wäre man Pelstring schon eher auf die Schliche gekommen. Am Montag nach der Tat fand er sich auf seiner Arbeit im Haus „Langewiese" ein. Sein „verändertes Wesen" kam einem Arbeitskollegen verdächtig vor. Auch führte Pelstring sein Messer, das er sonst immer dabei hatte, diesmal nicht mit sich. Der Arbeitskollege meldete dies der Polizeibehörde, die auch eine Durchsuchung im Pelstring'sehen Haus veranlasste. Da aber nichts Verdächtiges gefunden wurde, stellte man die Untersuchungen ein. Nach der Mordtat genügte Pelstring seiner zweijährigen Militärpflicht, was dazu beigetragen haben mag, dass die Spur des Verbrechens so lange unentdeckt blieb. Der Mord an Maria Wientjes war aber nicht der einzige Punkt, den man Pelstring vor dem Schwurgericht anlastete. Er erwies sich auch als der Täter, der bereits im Juni 1902 bei Ibbenbüren einen Raubanfall auf Frau Heilemann ausgeführt hatte.
Im August 1980 wendete sich eine junge Mutter an die Polizei. Bei ihrem Krankenhausaufenthalt zur Entbindung in Rheine im Frühjahr 1980 erzählte ihr eine Bettnachbarin vom Verdacht gegen einen Bekannten. Der habe eine Brille gehabt, wie die im Mordfall Jürgen P. gesuchte, aber im Sommer 1976 plötzlich eine andere getragen. Nach den Angaben der inzwischen verstorbenen Hinweisgeberin fand die Polizei in einer Täterkartei einen in [https://de.wikipedia.org/wiki/Eschweiler Eschweiler] lebenden Mann, der zuvor in Rheine lebte: Ludger St. Auf einem Foto des Mannes erkannten die Polizeibeamten eine Brille, die der am Tatort gefundenen ähnelte. Als sie ihn aufsuchten entdeckten sie, dass er eine orangefarbenes Moped besaß, wie es von Zeugen in Tatortnähe gesehen wurde. Am 18. September 1980 wurde Ludger St. in Eschweiler festgenommen.<ref name="azxy">http://azxy.communityhost.de/t884695201f354157108-RE-FF-Kripo-Muenster.html</ref>
 
Der Angeklagte war ihr mit einem „starken Tannenast" gefolgt und mit den Worten über sie hergefallen: „Tut mir Euer Geld!" Als sich die Frau weigerte, schlug er mit dem Knüppel auf sie ein. Nach Erhalt des Geldes versuchte er, sein Opfer zu vergewaltigen, ließ aber schließlich davon ab und flüchtete. In der Meinung, es handelte sich um eine „reiche Mettinger Dame", näherte sich Pelstring am Abend des 5. April 1905 auf dem Treppkesberg der Gesellschafterin Maria Theis und belästigte sie. Da er Widerstand fand, griff er zum Messer und brachte ihr einen lebensgefährlichen Stich in die linke Hallsseite bei.
 
Zufällig befanden sich ein Gendarm und ein Kaufmann in der Nähe. Während sich Letzterer um die Überfallene kümmerte, nahm der Gendarm die Verfolgung des Täters auf, der ihm aber entkam. Nach den Aussagen von Frau Theis „konnte man den Unhold nur in der Person eines Bergmanns suchen". Ein Verdächtiger wurde längere Zeit inhaftiert, bis sich seine Unschuld herausstellte. Nach der Festnahme Pelstrings beraumte der Untersuchungsrichter einen dreitägigen Ortstermin in Ibbenbüren an. Die Besichtigung musste in der Bevölkerung bekannt geworden sein, denn am Bahnhof fand sich eine große Menschenmenge ein. Der Anblick der Massen verfehlte seine Wirkung auf den Angeklagten offensichtlich nicht. Nach der Inaugenscheinnahme des Tatortes im Falle Theis wandte er sich an den Untersuchungsrichter und legte, nachdem ein Fluchtversuch missglückt war, ein offenes Geständnis seiner Verbrechen ab. Obwohl sich Pelstring reumütig zeigte und auch einem Gefängniswärter in Ibbenbüren gegenüber das Geständnis wiederholte, machte er während seiner Haft einen weiteren Fluchtversuch. Er besorgte sich eine Schere und einen Meißel und versteckte sie in seinem Bett. Ehe er aber seinen Plan ausführen konnte, wurden die gestohlenen Sachen entdeckt. Diesen Fluchtversuch musste er mit fünf Tagen Dunkelarrest büßen.  
 
Ein Gutachter, der Kreisarzt von Recklinghausen, sprach sich dahin aus, „dass der Angeklagte pervers angelegt sei und dem Sadismus huldige". Diese Ansicht teilte der Medizinalrat Heising nicht. Auch über die unmittelbare Todesursache des Schulmädchens gingen die Gutachten der Sachverständigen etwas auseinander. Der Wahrspruch der Geschworenen lautete „auf schuldig des Todschlags, des Mordversuchs und der räuberischen Erpressung im einheitlichen Zusammenhang mit Notzucht". Das Gericht erkannte auf die höchste gesetzlich zugelassene Strafe von 15 Jahren Zuchthaus. Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, wurde er nur vorzeitig entlassen, um sofort als Soldat in den Krieg ziehen zu müssen. Danach galt seine Strafe als abgegolten und er zog von Ibbenbüren weg."<ref>Westfälischer Merkur Nr. 524 vom 20. Oktober 1906</ref>


== Strafprozess ==
== Strafprozess ==
Der Prozess gegen Ludger St. begann am 21. September 1981 bei der II. Großen Strafkammer des [https://de.wikipedia.org/wiki/Landgericht_M%C3%BCnster Landgerichtes Münster]. Am 21. Oktober 1981 wurde Ludger St. schuldig gesprochen und erhielt eine lebenslange Haft wegen Mordes. Das Gericht ordnete zusätzlich eine gleichzeitige Unterbringung in ein [https://de.wikipedia.org/wiki/Psychiatrische_Klinik psychiatrisches Krankenhaus] an, weil man ihn für eine Gefahr für die Allgemeinheit betrachtete.<ref>Ibbenbürener Volkszeitung vom 22. Oktober 1981</ref> Mitte 1982 wurde das Urteil des Schwurgerichts Münster rechtskräftig und die lebenslange Haft gegen Ludger S. bestätigt. <ref name="azxy" />
Am 19. Oktober 1906 musste sich Pelstring vor dem Münsteraner Schwurgericht verantworten.
 
== Literatur ==
Bürger, Udo: Westfälische Unterwelt: Historische Kriminalfälle und Hinrichtungen in Westfalen
 
== Weblinks ==
<ul><li>[http://www.stadtmuseum-ibbenbueren.de/stadtgeschichte_aufsaetze_22.htm Werner Suer: Kriminalfall "Maria Wientjes" von 1902]</li>
<li>[http://g-bunt.de/index.php/nachrichten-leser/der-mord-an-maria-wientjes-in-ibbenbueren-im-jahre-1902.html Generation Bunt: Der Mord an Maria Wientjes in Ibbenbüren im Jahre 1902]</li></ul>


== Einzelnachweise ==
== Einzelverweise ==
<references />[[Category:Aktenzeichen XY]][[Category:Kriminalfall]]
<references />[[Category:Kriminalfall]]

Version vom 11. Mai 2023, 15:41 Uhr

Beim Mordfall Maria Wientjes handelt es sich um in einen Kriminalfall, bei dem 1902 in Ibbenbüren die 12-jährige Maria Wientjes (* 6. November 1889 in Ibbenbüren, † 2. August 1902 in Ibbenbüren) getötet wurde.

Berichterstattung in: Westfälischer Merkur Nr. 524 vom 20. Oktober 1906

"Bereits in seinem 15. Lebensjahr war der 1881 in Ibbenbüren geborene Angeklagte wegen eines Notzuchtdeliktes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, worauf weitere Vergehen folgten. Wie sich in der Verhandlung herausstellte, hatte der Angeklagte am Tag der Tat die vom Kommunionsunterricht in Ibbenbüren kommende Maria zu überreden gewusst, sich mit ihm am Wege niederzulassen. Hier fiel er über die Schülerin her, vergewaltigte sie und verletzte sie durch mehrere Messerstiche schwer. Als er sich von seinem Opfer abwandte, sah er noch die Kleine, die sich aufgerichtet hatte, wie sie ihm mit dem Finger drohte, sie ging noch etwa 30 Meter weit und sank dann tot zu Boden. Diesen Eindruck hat der Angeklagte nicht wieder vergessen können.

Er betäubte sein Gewissen durch Schnapsgenuss. Beinahe wäre man Pelstring schon eher auf die Schliche gekommen. Am Montag nach der Tat fand er sich auf seiner Arbeit im Haus „Langewiese" ein. Sein „verändertes Wesen" kam einem Arbeitskollegen verdächtig vor. Auch führte Pelstring sein Messer, das er sonst immer dabei hatte, diesmal nicht mit sich. Der Arbeitskollege meldete dies der Polizeibehörde, die auch eine Durchsuchung im Pelstring'sehen Haus veranlasste. Da aber nichts Verdächtiges gefunden wurde, stellte man die Untersuchungen ein. Nach der Mordtat genügte Pelstring seiner zweijährigen Militärpflicht, was dazu beigetragen haben mag, dass die Spur des Verbrechens so lange unentdeckt blieb. Der Mord an Maria Wientjes war aber nicht der einzige Punkt, den man Pelstring vor dem Schwurgericht anlastete. Er erwies sich auch als der Täter, der bereits im Juni 1902 bei Ibbenbüren einen Raubanfall auf Frau Heilemann ausgeführt hatte.

Der Angeklagte war ihr mit einem „starken Tannenast" gefolgt und mit den Worten über sie hergefallen: „Tut mir Euer Geld!" Als sich die Frau weigerte, schlug er mit dem Knüppel auf sie ein. Nach Erhalt des Geldes versuchte er, sein Opfer zu vergewaltigen, ließ aber schließlich davon ab und flüchtete. In der Meinung, es handelte sich um eine „reiche Mettinger Dame", näherte sich Pelstring am Abend des 5. April 1905 auf dem Treppkesberg der Gesellschafterin Maria Theis und belästigte sie. Da er Widerstand fand, griff er zum Messer und brachte ihr einen lebensgefährlichen Stich in die linke Hallsseite bei.

Zufällig befanden sich ein Gendarm und ein Kaufmann in der Nähe. Während sich Letzterer um die Überfallene kümmerte, nahm der Gendarm die Verfolgung des Täters auf, der ihm aber entkam. Nach den Aussagen von Frau Theis „konnte man den Unhold nur in der Person eines Bergmanns suchen". Ein Verdächtiger wurde längere Zeit inhaftiert, bis sich seine Unschuld herausstellte. Nach der Festnahme Pelstrings beraumte der Untersuchungsrichter einen dreitägigen Ortstermin in Ibbenbüren an. Die Besichtigung musste in der Bevölkerung bekannt geworden sein, denn am Bahnhof fand sich eine große Menschenmenge ein. Der Anblick der Massen verfehlte seine Wirkung auf den Angeklagten offensichtlich nicht. Nach der Inaugenscheinnahme des Tatortes im Falle Theis wandte er sich an den Untersuchungsrichter und legte, nachdem ein Fluchtversuch missglückt war, ein offenes Geständnis seiner Verbrechen ab. Obwohl sich Pelstring reumütig zeigte und auch einem Gefängniswärter in Ibbenbüren gegenüber das Geständnis wiederholte, machte er während seiner Haft einen weiteren Fluchtversuch. Er besorgte sich eine Schere und einen Meißel und versteckte sie in seinem Bett. Ehe er aber seinen Plan ausführen konnte, wurden die gestohlenen Sachen entdeckt. Diesen Fluchtversuch musste er mit fünf Tagen Dunkelarrest büßen.

Ein Gutachter, der Kreisarzt von Recklinghausen, sprach sich dahin aus, „dass der Angeklagte pervers angelegt sei und dem Sadismus huldige". Diese Ansicht teilte der Medizinalrat Heising nicht. Auch über die unmittelbare Todesursache des Schulmädchens gingen die Gutachten der Sachverständigen etwas auseinander. Der Wahrspruch der Geschworenen lautete „auf schuldig des Todschlags, des Mordversuchs und der räuberischen Erpressung im einheitlichen Zusammenhang mit Notzucht". Das Gericht erkannte auf die höchste gesetzlich zugelassene Strafe von 15 Jahren Zuchthaus. Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, wurde er nur vorzeitig entlassen, um sofort als Soldat in den Krieg ziehen zu müssen. Danach galt seine Strafe als abgegolten und er zog von Ibbenbüren weg."[1]

Strafprozess

Am 19. Oktober 1906 musste sich Pelstring vor dem Münsteraner Schwurgericht verantworten.

Literatur

Bürger, Udo: Westfälische Unterwelt: Historische Kriminalfälle und Hinrichtungen in Westfalen

Weblinks

Einzelverweise

  1. Westfälischer Merkur Nr. 524 vom 20. Oktober 1906